In dankbarer Erinnerung an Dr. phil. Ute Siebert (1944-2020), Mitglied des Vorstands 1998-2003

Mitglied des Vorstands 1998-2003

Am 28. Oktober 2020 ist unser langjähriges Mitglied Frau Dr. Siebert im Alter von 76 Jahren infolge der Komplikationen einer schweren chronischen Herzkrankheit verstorben. Diese traurige Nachricht wurde uns von ihrem Sohn Herrn Dr. med. vet. Tilman Eilers übermittelt, der uns inzwischen ein Foto, auf dem seine Mutter zu sehen ist, zukommen ließ. Wir dürfen es nun an dieser Stelle veröffentlichen:

Bei denjenigen, die sich seit Langem der Deutschen Gesellschaft für Logotherapie und Existenzanalyse verbunden fühlen, wird dieses Bild gewiss sehr viele gute Erinnerungen wachrufen: an eine philosophisch, pädagogisch und logotherapeutisch hochqualifizierte und bildungspolitisch erfahrene Expertin, an eine engagierte und sehr kompetente logotherapeutische Beraterin, als eine stets allen, die ihr begegnen durften, warmherzig zugewandte Frau.

In den Jahren 1998 bis 2003 war sie Mitglied des DGLE-Vorstandes, ab April 1999 auch im Amt der 2. Vorsitzenden.

Geboren wurde Ute Siebert am 20. 07. 1944 in der Friesischen Wehde in Neuenburg im Oldenburgischen. Ihre Mutter, tätig als Volksschullehrerin, zog Ute und deren älteren Bruder nach dem frühen Tode des Vaters, der als Kaufmann tätig gewesen war, in den Nachkriegsjahren allein auf. Trotz der damit verbundenen Schwierigkeiten wirtschaftlicher und sozialer Art, erinnerte sich Ute Siebert immer an eine geborgene Kindheit in der dörflichen Gemeinschaft der 40er und 50er Jahre sowie an glückliche Jugendjahre, die nach dem Abitur in Wilhelmshaven in eine erste Berufsausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin und Stenotypistin in Bad Harzburg mündeten. Die dadurch gewonnene finanzielle Unabhängigkeit ermöglichte es ihr, in den Jahren 1965 bis 1970 ein Universitätsstudium der Germanistik und Philosophie in Münster, Berlin und Hamburg zu absolvieren. 1970 heiratete sie Walfried Eilers, Ingenieur in Hamburg-Blankenese, und begann ihr Referendariat an der Ricarda-Huch-Schule in Hannover. Darauf folgten 18 Jahre Lehrtätigkeit am Gymnasium Neustadt am Rübenberge. Parallel zu ihrem beruflichen Engagement als Oberstudienrätin wirkte sie maßgeblich mit an der Etablierung von Philosophie als Schulfach in Niedersachsen, u.a. in der Rahmenrichtlinienkommission.

Zu ihren zentralen pädagogischen Anliegen gehörte die Befähigung junger Menschen, existentiell bedeutsame Fragen zu vernehmen, aufzugreifen und selbst Fragen zu stellen, um sich auf der Grundlage eines selbsttätigen abstrahierenden Denkens gegenüber anderen Kulturen, Verhaltensweisen und Gedanken zu öffnen und sich tatkräftig für Gerechtigkeit und für das Gemeinwohl in dieser Einen Welt einzusetzen.

Ab Ende der 70er Jahre wirkte sie in der Philosophisch-Politischen Akademie (PPA) unter der Leitung von Dr. Gustav Heckmann mit (1898 – 1996). Dort vertiefte sie kontinuierlich ihr philosophisches Spezialgebiet in Theorie und Praxis: den Sokratischen Dialog. In der Folge engagierte sie sich insbesondere im Rahmen der aus der PPA hervorgegangenen Gesellschaft für Sokratisches Philosophieren (GSP).

1990 schied Ute Siebert krankheitsbedingt aus dem Schuldienst aus. Mitte der 90er Jahre konnte sie dann in Oldenburg ein zweites Universitätsstudium in Erziehungswissenschaften beginnen. In dieser Zeit ergriff sie auch die Möglichkeit einer mehrjährigen Weiterbildung in Logotherapie und Existenzanalyse nach Viktor E. Frankl, auf die sie von der mit ihr gut befreundeten Frau Dr. Ute Hönnicke (Bremen), DGLE-Gründungs-, langjähriges Vorstands- und Ehrenmitglied, aufmerksam gemacht worden war.

Nach erfolgreichem Abschluss des erziehungswissenschaftlichen Diplomstudienganges und der logotherapeutischen Zusatzausbildung folgten Jahre freiberuflicher Arbeit in Erwachsenenbildung und Lebensberatung, zudem Lehraufträge an den Universitäten Oldenburg und Magdeburg sowie die Promotion zum Dr.phil. an der Universität Oldenburg bei Frau Prof. Dr. Barbara Fülgraff.

Als Autorin des Buches „Das Sokratische Gespräch. Darstellung seiner Geschichte und Entwicklung“ (Kassel 1996) hat Ute Siebert einen bedeutsamen Beitrag geleistet, damit Sokratisches Philosophieren in unterschiedlichen Zusammenhängen verstärkt Einzug halten kann, nicht nur im Bereich der Erziehung und (Erwachsenen-)Bildung und der Krisenprävention, sondern auch in der Sozialen Arbeit, Beratung und Psychotherapie, ebenso im Kontext politischer Diskurse.

Bei ihrer Lehr- und Supervisionstätigkeit verzichtete sie konsequent auf Formen der Belehrung, bei denen lediglich bestimmte konservierte Lehrstoffe weitergereicht und eingeübt werden. Für sie war das Sokratische Gespräch und damit auch die persönliche Begegnung zwischen Lehrenden und Lernenden in konkreten Situationen eine herausragende Alternative zu entmündigender und nicht selten auch sinnentleerter Wissensvermittlung.

Ab 1999, bedingt durch den Zivildienst ihres Sohnes in Minsk, Republik Belarus, unternahm Ute Siebert etliche Reisen nach Belarus und Russland, wo neue Begegnungen in eine fruchtbare, über zehnjährige Zusammenarbeit mit dortigen Germanistik-Dozenten und -Studenten mündeten. So gelang es ihr auch dort in der Deutschlehrer-Ausbildung, die Sokratische Methode bekanntzumachen.

Noch bis ins Jahr 2018 hinein konnte sie trotz allmählich nachlassender körperlicher Kräfte ihre Seminar- und Beratungstätigkeit fortsetzen.

Unser herzliches Beileid gilt nun ihrem Ehegatten, mit dem sie die Auflösung des Hauses in Neustadt und den Umzug an den Niederrhein geplant hatte, um der Familie des Sohnes näher zu sein. Auch der trauernden Familie ihres Sohnes, mit der sie stets sehr eng verbunden war, sprechen wir unser herzliches Beileid aus. Möge dieser Nachruf später auch ihre beiden Enkelkinder Jost (9 Jahre alt) und Lina (6 Jahre alt) erreichen, die jetzt ihre Großmutter schmerzlich vermissen. Auch sie sollen einmal erfahren können, wie wertvoll und inspirierend das Wirken von Ute Siebert für uns und für andere war.

In der Deutschen Gesellschaft für Logotherapie und Existenzanalyse wird sie uns sehr fehlen. Sie hatte stets ein offenes Ohr für alle, die sich an sie wandten. Ihre zutiefst humanistische Grundeinstellung, die sich in ihrem Buch "Bildung vom Menschen aus" (Kassel, 2002) widerspiegelt, und ihr gütiges und freundliches Wesen bleiben uns in allerbester Erinnerung.

Für den Vorstand des DGLE-Berufsverbands 
Anna-Maria Stegmaier
1. Vorsitzende